Entsteht der Gesellschaft ein Schaden, steht häufig die Frage im Raum, ob der Geschäftsführer wegen Verletzung seiner Pflichten zum Schadensersatz verpflichtet ist. Dieser Beitrag beleuchtet, unter welchen Voraussetzungen ein solcher Ersatzanspruch der Gesellschaft nach § 43 Abs. 2 GmbHG in Betracht kommt und wie der Geschäftsführer sich gegen den Vorwurf einer Pflichtverletzung zur Wehr setzen kann.
A. Gesetzliche Grundlage
In § 43 Abs. 1 GmbHG werden die grundsätzlichen Anforderungen an ordnungsgemäßes Handeln des Geschäftsführers wie folgt festgelegt:
„Die Geschäftsführer haben in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden.“
Für den Fall einer Verletzung dieser Sorgfaltspflicht sieht § 43 Abs. 2 GmbHG Folgendes vor:
„Geschäftsführer, welche ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft solidarisch für den entstandenen Schaden.“
B. Beispiele für Pflichtverletzungen
Hier zur Veranschaulichung einige Sachverhalte aus denen sich eine Haftung gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG ergeben kann:
- Geschäftsführer haben das Unternehmen so zu organisieren, dass sie stets die zur Wahrnehmung ihrer Pflichten notwendige Übersicht über die wirtschaftliche und finanzielle Situation haben (vgl. Bundesgerichtshof, Versäumnisurteil vom 19. Juni 2012 − II ZR 243/11, NJW-RR 2012, 1122).
- Wegen der sogenannten Legalitätspflicht haben Geschäftsführer dafür zu sorgen, dass sämtliche gesetzlichen und auch vertraglichen Verpflichtungen eingehalten werden (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 7. Mai 2019 – VI ZR 512/17, NZG 2019, 939). Ein Verstoß gegen die Legalitätspflicht kommt auch in Betracht, sofern die anerkannten Grundsätze der Geschäftsmoral missachtet werden (vgl. Kammergericht, Urteil vom 9. Oktober 1998 – 14 U 4823/96, NZG 1999, 400). Zur Einhaltung der Legalitätspflicht kann es des Weiteren erforderlich sein, ein sogenanntes Compliance Managementsystem im Unternehmen zu etablieren. Als Compliance Managementsystem bezeichnet man Strukturen und Prozesse im Unternehmen, mit denen sichergestellt werden soll, dass die geltenden Regeln (insbesondere unternehmensinterne Richtlinien sowie die geltenden Gesetze) eingehalten werden.
- Weisungen der Gesellschafterversammlung haben Geschäftsführer regelmäßig zu befolgen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Dezember 1959 – II ZR 187/57, NJW 1960, 285; Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 22. Dezember 1998 – 8 U 98/98, NZG 1999, 506). Führen sie solche Weisungen aus, kann die entsprechende Maßnahme grundsätzlich nicht als pflichtwidrig eingestuft werden. Abweichend vom soeben beschriebenen Grundsatz ist die Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung allerdings bei rechtswidrigen Weisungen begrenzt. Ist die Weisung der Gesellschafterversammlung rechtswidrig, ist nach der Schwere der Rechtsverletzung zu differenzieren (vgl. zu diesem Aspekt: Beck‘scher online Kommentar zum GmbHG, Stand vom 1. Februar 2021, § 43 Rn. 83 m.w.N.). Bei besonders schweren Rechtsverletzungen kann es infolge der Sorgfaltspflicht von Geschäftsführern geboten sein, die Weisung zu missachten. Im Fall von geringeren Rechtsverstößen durch die Gesellschafterversammlung kann es für den Geschäftsführer je nach den Umständen des Einzelfalls zulässig sein, die Weisung dennoch zu befolgen, oder diese zu ignorieren. Jedenfalls ist in sämtlichen Fällen rechtswidriger Weisungen durch die Gesellschafterversammlung eine genaue Prüfung des weiteren Vorgehens angezeigt.
- Eine gesellschaftsinterne Aufgabenverteilung zwischen mehreren Geschäftsführern entbindet den einzelnen Geschäftsführer nicht von jeglichen Überwachungspflichten in Bezug auf den fremden Verantwortungsbereich. Bestehen hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass ein Geschäftsführer in seinem Verantwortungsbereich pflichtwidrig handelt, kann der andere Geschäftsführer zum Eingreifen verpflichtet sein (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 15. Oktober 1996 – VI ZR 319/95, NJW 1997, 130).
- Sind Geschäftsführer nicht gleichzeitig alleinige Gesellschafter der GmbH, besteht für sie ein Wettbewerbsverbot. Im Geschäftsbereich der Gesellschaft haben sie daher jede unternehmerische Tätigkeit, sei es auf eigene oder auf fremde Rechnung, zu unterlassen. Als unternehmerische Tätigkeit in diesem Sinne wird jede auf einen Gewinn abzielende Teilnahme am Geschäftsverkehr verstanden, welche nicht bloß der Befriedigung privater Bedürfnisse dient (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. Februar 1997 – II ZR 278/95, NJW 1997, 2055).
- Pflichtwidrig ist es ebenfalls, wenn Geschäftsführer ihre Organstellung treuwidrig ausnutzen, um sich persönlich zu bereichern. Dies ist unter anderem bei Inanspruchnahme eines Darlehens der Gesellschaft zu einem nicht marktüblichen Zinssatz sowie bei der Abrechnung privater Reisekosten gegenüber der Gesellschaft der Fall (vgl. Oberlandesgericht Naumburg, Urteil vom 30. November 1998 – 11 U 22/98, NZG 1999, 353). Auch die Nutzung eines Dienstwagens zu privaten Zwecken kann pflichtwidrig sein (vgl. Kammergericht, Urteil vom 10. November 2000 – 14 U 9587/99, NZG 2001, 325).
- Gegen die Verschwiegenheitspflicht verstoßen der Geschäftsführer, wenn sie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Gesellschaft, oder sonstige vertrauliche Angaben, die ihnen infolge ihrer Tätigkeit als Geschäftsführer bekannt geworden sind, Dritten gegenüber unbefugt offenbaren (vgl. Altmeppen, Kommentar zum GmbHG, 10. Aufl. 2021, § 43 Rn. 25 m.w.N.).
C. Unternehmerischer Ermessensspielraum / Business Judgement Rule
Da erfolgreiches unternehmerisches Handeln die Bereitschaft erfordert, Risiken einzugehen, kann nicht jede Maßnahme des Geschäftsführers, die rückblickend eine Fehleinschätzung war, als Pflichtverletzung eingestuft werden. Geschäftsführern muss ein unternehmerischer Ermessensspielraum zugestanden werden. Deshalb kommt eine Pflichtverletzung erst in Betracht, sofern die Grenzen, in denen sich ein von Verantwortungsbewusstsein getragenes, ausschließlich am Unternehmenswohl orientiertes, auf sorgfältiger Ermittlung der Entscheidungsgrundlagen beruhendes unternehmerisches Handeln bewegen muss, deutlich überschritten sind (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, NJW 1997, 1926).
Anders gewendet liegt gemäß der aus § 93 Abs. 1 S. 2 AktG abgeleiteten Business Judgement Rule keine Pflichtverletzung vor, wenn der Geschäftsführer bei angemessener Informationsgrundlage eine sorgfältig abgewogene Entscheidung zum Wohle der Gesellschaft trifft (vgl. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 14. Juli 2008 – II ZR 202/07, NJW 2008, 3361; Oberlandesgericht München, Urteil vom 8. August 2007 – 7 U 1917/07, BeckRS 2008, 1729).
D. Verschulden
Eine Haftung von Geschäftsführern nach § 43 Abs. 2 GmbHG setzt voraus, dass dem Geschäftsführer in Bezug auf die Pflichtverletzung ein Verschulden zur Last gelegt werden kann. Verletzt ein Geschäftsführer die Sorgfalt, die ein ordentlicher Geschäftsmann in verantwortlich leitender Position bei selbstständiger Wahrnehmung fremder Vermögensinteressen zu beachten hat, ist dies der Fall (vgl. Oberlandesgericht Celle, Urteil vom 15. März 2000 – 9 U 209/99, NZG 2000, 1178). Bei der Überprüfung des Verschuldens sind Art und Größe des Unternehmens sowie unter Umständen auch der Unternehmenszweck zu berücksichtigen (vgl. Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 22. Dezember 1998 – 8 U 98/98, NZG 1999, 506).
Prinzipiell gilt ein objektiver Verschuldensmaßstab, so dass die individuellen Fähigkeiten des jeweiligen Geschäftsführers regelmäßig bei der Feststellung des Verschuldens nicht relevant sind (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. März 1983 – II ZR 103/82, NJW 1983, 1856). Soweit die anfallenden Aufgaben die Fähigkeiten des Geschäftsführers übersteigen, kann er dazu verpflichtet sein, externe Unterstützung – wie zBsp anwaltliche Beratung – einzuholen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, NZG 2007, 545).
Grundsätzlich ist es möglich, einen für den Geschäftsführer günstigeren Verschuldensmaßstab im Wege einer Haftungsvereinbarung vertraglich festzulegen. In dieser Hinsicht besteht allerdings mangels klarer Vorgaben der Rechtsprechung eine nicht unerhebliche Rechtsunsicherheit(vgl. zum Meinungsstand: Beck‘scher online Kommentar zum GmbHG, Fassung vom 1. Februar 2021, § 43 Rn. 299 m.w.N.), weshalb bei der Gestaltung einer solchen Haftungsvereinbarung sehr umsichtig vorzugehen ist.
E. Haftungsumfang / Versicherungsschutz
Steht fest, dass der Geschäftsführer iSd § 43 Abs. 2 GmbHG durch eine schuldhafte Pflichtverletzung einen Schaden bei der Gesellschaft verursacht hat, haftet er gegenüber der Gesellschaft grundsätzlich mit seinem gesamten Privatvermögen für die Regulierung des verursachten Schadens.
Es ist aber möglich, im Hinblick auf dieses Haftungsrisiko eine sog. D & O-Versicherung („Directors-and-Officers-Versicherung“) abzuschließen. Auf die konkreten Bedingungen des Versicherungsvertrages sollte unbedingt geachtet werden, insbesondere weil in den jeweiligen Versicherungsbedingen teilweise zahlreiche Haftungsausschlüsse vorgesehen sind.
F. Prozessuales
Bevor die Gesellschaft einen Ersatzanspruch gegen ihren Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG gerichtlich geltend machen kann, ist gemäß § 46 Nr. 8 GmbHG ein entsprechender Beschluss der Gesellschafterversammlung erforderlich. Nach herrschender Ansicht kann für einen einzelnen Gesellschafter aber die Möglichkeit bestehen, den Ersatzanspruch selbst vor Gericht durchzusetzen, wenn er sich zuvor erfolglos um einen Gesellschafterbeschluss bemüht hat.
Gemäß allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen haben Kläger dem Gericht die tatsächlichen Voraussetzungen des eingeklagten Anspruchs darzulegen. Sofern und soweit dieser Sachverhalt von der Gegenseite bestritten wird, obliegt es grundsätzlich dem Kläger die umstrittenen Tatsachen mit den vor Gericht zulässigen Beweismitteln (Zeugen; wenn bestimmte prozessuale Anforderungen erfüllt sind, die Parteivernehmung; schriftliche Erklärungen und Vereinbarungen (= Urkundenbeweis); Beweis durch Augenschein (hierunter versteht man den Beweis durch eine eigene Wahrnehmung des Gerichts über Sachen, Personen oder sonstige Vorgänge) sowie den Beweis durch Sachverständigengutachten) zu belegen.
Im Hinblick auf den Schadensersatzanspruch der Gesellschaft gegen den Geschäftsführer aus § 43 Abs. 2 GmbHG ist allerdings zu beachten, dass die klagende Gesellschaft nur Tatsachen vortragen muss, aus denen sich die Möglichkeit einer Pflichtverletzung ergibt. Um den Schadensersatzanspruch abzuwehren, hat dann der Geschäftsführer darzulegen, dass er seine Pflichten nicht verletzt hat. Geht es um unternehmerische Entscheidungen, genügt es jedoch, wenn der Geschäftsführer darlegt, dass er die Anforderungen der Business Judgement Rule (siehe oben Ziffer C.) eingehalten hat (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 18. Juni 2013 – II ZR 86/11, NZG 2013, 1021; Urteil vom 15. Januar 2013 – II ZR 90/11, NZG 2013, 293).
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*Dieser Beitrag ist nicht als rechtswissenschaftliche Veröffentlichung gedacht. Vielmehr ist beabsichtigt, allgemeine Hinweise zu der behandelten Thematik zu erteilen. Eine auf ein konkretes Mandat bezogene rechtliche Beratung können und sollen die Ausführungen nicht ersetzen.