27. Dezember 2024
Gemäß dem am 1. Januar 2025 in Kraft tretenden 4. Bürokratieentlastungsgesetz („BEG IV“) wird für Gewerbemietverträge anstelle der bisher gesetzlich verlangten Schriftform die Einhaltung der Textform als ausreichend angesehen. Der Gesetzgeber verspricht sich hiervon erleichterte Vertragsabschlüsse auf digitalem Weg und weniger auf Formverstößen beruhende vorzeitige Kündigungen von Gewerbemietverträgen. Diese Zielsetzung ist nachvollziehbar. Ob das Ziel durch die gegebene Gesetzesänderung erreicht werden kann, ist allerdings fraglich. Für Käufer von vermieteten Immobilien, deren Schutz die Formanforderungen vorrangig gelten, sind die Folgen der Gesetzesanpassung regelmäßig nicht so erheblich, wie vielfach angenommen.A. Bisherige Gesetzeslage
In der bis zum Inkrafttreten des BEG IV geltenden Fassung der §§ 578 Abs. 2, 550 BGB ist vorgesehen, dass bei Gewerbemietverträgen, die für eine längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, die gesetzliche Schriftform i.S.v. § 126 BGB einzuhalten ist. Hierfür ist der wesentliche Inhalt des Mietvertrages in nachvollziehbarer Weise schriftlich in einer von den Parteien eigenhändig zu unterzeichnenden Vertragsurkunde festzuhalten. Zum wesentlichen Inhalt des Mietvertrages gehören beispielsweise die Festlegung der Mietfläche, die Parteien des Mietvertrages, die Dauer des Mietverhältnisses, Regelungen zur Miethöhe, der zulässige Nutzungszweck sowie Bestimmungen zum Ausbau der Mietfläche. Die Schriftform ist nicht nur bei Abschluss des Mietvertrages einzuhalten, sondern auch bei nachträglichen Änderungen von wesentlichen, sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechten und Pflichten (sog. Nachtragsvereinbarungen), wie Änderungen in Bezug auf die Mietfläche oder die Miethöhe.
Verstöße gegen die Schriftform führen nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrages. Vielmehr ist die vereinbarte Vertragslaufzeit nach § 550 S. 1 BGB nicht bindend, weshalb der Mietvertrag als auf unbestimmte Zeit abgeschlossen gilt. Solche Mietverträge können gemäß § 550 S. 2 BGB sowohl vom Vermieter als auch durch den Mieter bereits zum Ablauf des ersten Vertragsjahres ohne besonderen Grund gekündigt werden, sofern nicht besondere Umstände vorliegen, die eine vorzeitige Kündigung unzumutbar erscheinen lassen. Es ist lediglich eine Kündigungsfrist einzuhalten, die nach § 580a Abs. 2 BGB ca. sechs bis neun Monate umfasst.
B. Änderung durch das BEG IV und diesbezüglich empfohlenes Vorgehen
Infolge des BEG IV genügt für Gewerbemietverträge nun die Textform. Hierfür ist nach dem Wortlaut von § 126b Satz 1 BGB eine auf einem dauerhaften Datenträger abgegebene lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, ausreichend.
Fest steht daher, dass von den Vertragsparteien keine ausgedruckten Vertragsurkunden mehr eigenhändig unterzeichnet werden müssen, so wie es das Schriftformgebot verlangt hat. Der Vertragsabschluss kann digital erfolgen. Keine Rechtssicherheit besteht allerdings zu der Frage, was alles im Hinblick auf einen Vertragsabschluss per Textform zulässig ist. Teilweise wird vertreten, es sei jetzt möglich, einen formgültigen Gewerbemietvertrag abzuschließen, indem der Vertragsinhalt zunächst zwischen den Parteien durch E-Mail-Korrespondenz oder über Messengerdienste wie WhatsApp abgestimmt werde und danach auf den Vertragsabschluss abzielende Erklärungen per E-Mail oder Messengerdienst ausgetauscht werden.
Von einer derart lockeren Herangehensweise wird hier allerdings abgeraten. Die strengen, vom Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen an die Einheitlichkeit der Vertragsurkunde bzw. des Vertragstextes (vgl. u.a. das Urteil vom 6. April 2005 – XII ZR 132/03; NJW 2005, 2225) dürften durch das BEG IV nicht unbeachtlich werden. Die Einheitlichkeit des Vertragstextes ist gemäß den Vorgaben des Bundesgerichtshofes nur dann gewahrt, wenn sämtliche nicht ganz unwesentlichen Vereinbarungen in einem einheitlichen Vertragsdokument enthalten sind. Deshalb ist eine bloße Bezugnahme per E-Mail oder über Messengerdienste auf vorangegangene Korrespondenz zum Vertragsinhalt wohl auch nach Einführung der Textform nicht ausreichend, um einen formgültigen Gewerbemietvertrag abzuschließen. Jedenfalls besteht insoweit derzeit keine Rechtssicherheit, weshalb es angesichts der meist erheblichen wirtschaftlichen Bedeutung von Gewerbemietverträgen nicht sinnvoll ist, bei den Modalitäten des Vertragsabschlusses ein mit vertretbarem Aufwand vermeidbares Risiko einzugehen, indem auf ein einheitliches Vertragsdokument verzichtet wird. Deswegen wird vorliegend empfohlen, sämtliche mietvertraglichen Vereinbarungen zumindest in einem elektronischen Vertragsdokument (das PDF-Format bietet sich an) aufzuführen und das Ende dieses Dokuments von beiden Vertragsparteien durch Einfügen einer eingescannten Unterschrift kennzeichnen zu lassen.
Diese formalen Anforderungen gelten auch bei nachträglichen wesentlichen Vereinbarungen zum Mietverhältnis (vgl. hierzu Ziffer A.). Hierbei ist wegen der geforderten Einheitlichkeit des Vertragsdokuments darauf zu achten, dass in Nachtragsvereinbarungen der Ausgangsmietvertrag und etwaige vorherige Nachtragsvereinbarungen eindeutig genannt werden.
C. Übergangsregelung
Das BEG IV enthält in Art. 15 eine Übergangsregelung für zum 1. Januar 2025 bereits bestehende Gewerbemietverträge. Hiernach können diese Mietverträge noch bis einschließlich zum 1. Januar 2026 bei Schriftformverstößen gekündigt werden und die geringeren Anforderungen der Textform gelten erst ab dem 2. Januar 2026. Es bleibt vor diesem Hintergrund abzuwarten, ob Mietvertragsparteien, die sich vorzeitig von ihrem Mietvertrag trennen möchten, kurzfristig verstärkt nach Schriftformverstößen suchen werden. Andererseits dürfte es möglich sein, eine vorzeitige Kündigung von bestehenden Mietverträgen wegen Schriftformverstößen für die Übergangsphase durch eine mietvertragliche Vereinbarung auszuschließen.
Werden zum 1. Januar 2025 bereits bestehende Gewerbemietverträge vor Ablauf der Übergangsphase geändert, genügt gemäß Artikel 15 des BEG IV für die Vertragsänderung die Einhaltung der Textform.
D. Auswirkungen der Textform auf den Immobilienerwerb
Die Formanforderungen für Gewerbemietverträge dienen vorrangig dem Schutz von Käufern vermieteter Immobilien. Diese treten infolge des Immobilienerwerbs gemäß § 578 Abs. 2 BGB i.V.m. § 566 BGB anstelle des Veräußerers als Vermieter in die bestehenden Mietverhältnisse ein. Durch die Formanforderungen sollen die Erwerber in die Lage versetzt werden, sich allein durch die Prüfung von den Formanforderungen genügenden Vereinbarungen über die Rechte und Pflichten des Mietverhältnisses zu informieren. Gibt es zusätzlich nicht formgerechte wesentliche mietvertragliche Vereinbarungen, wird der Immobilienerwerber nicht dauerhaft an ein solches Mietverhältnis gebunden. Vielmehr kann er den Mietvertrag, wie bereits erläutert, vorzeitig durch eine ordentliche Kündigung beenden.
In Anbetracht der Vereinfachungen durch die Textform wird vielfach kritisiert, die Gesetzesänderung verschlechtere die Situation von Immobilienerwerbern, weil es für diese nun schwieriger werde, den gesamten Inhalt von langfristig verbindlichen Mietverhältnissen zu erfassen. Das stimmt, weil es wegen der Zulässigkeit der Textform nicht mehr genügt, die Prüfung auf in Papierform erfolgte Vereinbarungen zu beschränken.
Andererseits dürfte sich der Prüfungsumfang aus Sicht der Praxis in den meisten Fällen nicht verändern, weil gut beratene Immobilienkäufer regelmäßig ohnehin einen weiter gefassten Prüfungsmaßstab bevorzugen. Denn ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung des wirtschaftlichen Werts einer vermieteten Gewerbeimmobilie ist die Restlaufzeit der Mietverträge. Der Kaufinteressent will üblicherweise wissen, welche Mieteinnahmen er aus den bestehenden Mietverträgen in Zukunft erwarten kann. Deswegen ist der Prüfungsumfang einer mietrechtlichen Due Diligence zur angebotenen Immobilie richtigerweise nicht auf die Suche nach langfristig verbindlichen mietvertraglichen Vereinbarungen beschränkt. Den potentiellen Käufer interessiert meistens auch, wenn nicht sogar vorrangig, ob und ggf. inwieweit die Mietverträge Formfehler aufweisen und in der Folge vorzeitig beendet werden könnten, wodurch ihm Mieteinnahmen entgehen würden. Um das zu klären, sind aber – unabhängig von der konkreten Ausgestaltung der gesetzlichen Formanforderungen – stets sämtliche Erklärungen zu berücksichtigen, mit denen die Mietvertragsparteien wesentliche Vereinbarungen zum Mietverhältnis getroffen haben können, gleichgültig ob diese in Papierform, elektronisch oder u.U. sogar mündlich erfolgt sind. Denn sofern solche Erklärungen vorliegen, aber nicht den gesetzlichen Formanforderungen entsprechen, ist der Gewerbemietvertrag grundsätzlich vorzeitig kündbar. Daher hat die Einführung der Textform für die mietrechtliche Due Diligence regelmäßig keinen Mehraufwand zur Folge.
E. Fazit
Die Textform i.S.d. § 126b BGB war ursprünglich für einseitige Erklärungen vorgesehen. Der Gesetzgeber hat es leider versäumt, im Rahmen des BEG IV zweifelsfrei klarzustellen, wie Verträge in Textform abzuschließen sind. Trotzdem ist es jetzt möglich, Gewebemietverträge auch ohne die gewohnten „Papierschlachten“ rechtssicher abzuschließen, wenn umsichtig mit der gewonnenen Freiheit umgegangen wird.
Käufer von vermieteten Gewerbeimmobilien können wegen der Einführung der Textform zwar nur durch eine umfangreichere Prüfung vollständig erfassen, welche langfristig bindenden Mietvertragsvereinbarungen bestehen. Eine richtig durchgeführte mietrechtliche Due Diligence beinhaltete regelmäßig aber ohnehin einen Prüfungsmaßstab, der sämtliche Erklärungen der Mietvertragsparteien erfasst, mit denen Regelungen zum Mietvertrag getroffen wurden.
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*Dieser Beitrag ist nicht als rechtswissenschaftliche Veröffentlichung gedacht. Vielmehr soll er den mit Gewerbemietverträgen befassten Praktikern zur allgemeinen Orientierung dienen. Eine auf den konkreten Einzelfall bezogene rechtliche Beratung können und sollen die Ausführungen nicht ersetzen. Im Übrigen bezieht sich dieser Beitrag auf die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung geltende Rechtslage. Sofern und soweit nicht besonders kenntlich gemacht, sind nachfolgende Veränderungen der rechtlichen Rahmenbedingungen nicht erfasst.