Die Auswirkungen der Corona-Krise auf Gewerbemietverträge*

Unter welchen Voraussetzungen dürfen Mieter ihre Mietzahlungen nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ aufschieben? Kommen Mietminderungen oder außerordentliche Kündigungen in Betracht und müssen Vermieter es hinnehmen, wenn der Mieter überhaupt keine Miete zahlen will?

Um die Ausbreitung des Coronavirus zu verlangsamen, wurde das öffentliche Leben in bisher unbekanntem Ausmaß eingeschränkt. Infolge staatlicher Anordnung auf Grundlage des Infektionsschutzgesetzes können zahlreiche Gewerbeflächen nicht mehr bestimmungsgemäß durch die Mieter genutzt werden. Hiervon betroffen sind vor allem Gastronomiebetriebe, viele Einzelhandelsgeschäfte, Sportstätten und Gewerbe aus dem Unterhaltungsbereich sowie die Hotelbranche. Massive Einnahmeausfälle sind die Folge.

Zur Abmilderung der hiermit einhergehenden wirtschaftlichen Belastung der Gewerbemieter hat der Bundestag am 25. März 2020 ein Gesetz beschlossen, das ein Kündigungsrecht der Vermieter ausschließt, sofern die Kündigung auf Mietrückstände aus der Zeit vom 1. April bis zum 30. Juni gestützt werden soll.

Dieser Beitrag befasst sich mit den Einzelheiten dieses „Mietmoratoriums“.

Außerdem wird erläutert, weshalb nach vorzugswürdiger Ansicht davon auszugehen ist, dass von Betriebsschließungen betroffene Mieter die Miete grundsätzlich um die Hälfte kürzen dürfen. Ein vollständiger Ausschluss der Mietzahlungsverpflichtung kommt hingegen nicht in Betracht. Auch ein Recht, das Mietverhältnis wegen der Nutzungsuntersagung vorzeitig zu kündigen, besteht prinzipiell nicht.

A. Kündigungsbeschränkung wegen der Auswirkungen der Corona-Krise

Das am 27. März 2020 auch vom Bundesrat gebilligte Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht (BGBl. 2020 I, 569 ff.) ändert durch Art. 5 die Bestimmung des Art. 240 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB). Art. 240 § 2 Abs. 1 EGBGB lautet nun wie folgt:

„Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 trotz Fälligkeit die Miete nicht leistet, sofern die Nichtleistung auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruht. Der Zusammenhang zwischen der COVID-19-Pandemie und Nichtleistung ist glaubhaft zu machen. Sonstige Kündigungsrechte bleiben unberührt.“

Die Regelung ist nicht auf Wohnmietverhältnisse beschränkt und erfasst auch Mietverträge über Gewerberäume. Grundsätzlich ist der Vermieter von Gewerbeflächen nach § 543 BGB dazu befugt, den Mietvertrag zu kündigen, falls der Mieter mit zwei Monatsmieten in Verzug gerät. Das Kündigungsrecht der Vermieter wegen Zahlungsverzugs wird unter folgenden Voraussetzungen beschränkt:

  • Mietzahlungen, die im Zeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni 2020 zu begleichen wären, werden nicht geleistet.
  • Die Zahlungseinstellung des Mieters muss auf den Folgen der COVID-19-Pandemie beruhen. Es stellt sich die Frage, ob dies voraussetzt, dass es dem Mieter auf Grund eines Liquiditätsengpasses schlicht unmöglich ist, die Miete zu zahlen, oder ob die Anforderungen geringer sind. Nach dem Willen des Gesetzgebers reicht es für den Bereich der Gewerbemiete wohl aus, wenn der Mieter infolge der Corona-Pandemie nicht unerhebliche Einnahmeausfälle hat. In der Begründung des Gesetzesentwurfs (vgl. BT DrS 19/18110, Seite 37) wird in Bezug auf die Notwendigkeit, den Zusammenhang zwischen der Corona-Krise und der unterbliebenen Mietzahlung glaubhaft zu machen, Folgendes ausgeführt „Mieter von Gewerbeimmobilien können darüber hinaus den Zusammenhang zwischen COVID-19-Pandemie und Nichtleistung zum Beispiel regelmäßig mit Hinweis darauf glaubhaft machen, dass der Betrieb ihres Unternehmens im Rahmen der Bekämpfung des SARS-CoV-2-Virus durch Rechtsverordnung oder behördliche Verfügung untersagt oder erheblich eingeschränkt worden ist.“
  • Zur Glaubhaftmachung hat der Mieter Tatsachen zu belegen, die es als überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen (vgl. zu diesem Aspekt: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. September 2015 – III ZB 56/14, NJW 2015, 3517), dass die Nichtleistung der Miete auf der Corona-Pandemie beruht. Geeignete Nachweise sind beispielsweise die Versicherung an Eides Statt, Bescheinigungen über staatliche Hilfen wegen der COVID-19-Pandemie sowie die erwähnten Belege über staatlich verfügte Betriebsschließungen und -Beschränkungen.

Sind diese Anforderungen erfüllt, hat der Mieter nach dem etwas unglücklich formulierten Art. 240 § 2 Abs. 4 EGBGB bis zum 30. Juni 2022 Zeit, die Mietschulden auszugleichen. Ansonsten lebt das Kündigungsrecht wieder auf und der Vermieter kann den Mietvertrag wegen der angefallenen Zahlungsrückstände kündigen.

Bis zum Ausgleich der offenen Mietforderungen sind diese mit dem gesetzlichen Verzugszinssatz zu verzinsen. Für Gewerbemietverhältnisse ist die Vorschrift des § 288 Abs. 2 BGB einschlägig, weshalb sich der Zinssatz auf 9 Prozentpunkte über dem Basiszinssatz beläuft.

Entsprechend Art. 240 § 4 Abs. 1 Nr. 2 EGBGB kann die Regelung durch Rechtsverordnung auf bis zum 30. September 2020 fällig werdende Mietforderungen erstreckt werden, sofern zu erwarten ist, dass die durch die COVID-19-Pandemie bewirkten Beeinträchtigungen bis dahin fortbestehen. Art. 240 § 4 Abs. 2 EGBGB sieht eine weitere Verlängerungsmöglichkeit „über den 30. September 2020 hinaus“ vor.

B. Schließt der neue Art. 240 § 2 EGBGB weitere Mieterrechte aus?

Fraglich ist, ob es sich bei Art. 240 § 2 EGBGB um eine abschließende gesetzliche Regelung handelt. Dann wären allein aufgrund dieser Bestimmung weitere, auf die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gestützten Rechte der Mieter ausgeschlossen. Insbesondere könnte eine Berechtigung der Gewerbemieter zu Mietkürzungen und eine Möglichkeit zur vorzeitigen Kündigung des Mietvertrages von vornherein nicht bestehen. In der Begründung des Gesetzesentwurfs (vgl. BT DrS 19/18110, Seite 18) findet sich folgender Passus:

„Wegen Mietschulden aus dem Zeitraum vom 1. April 2020 bis 30. Juni 2020 dürfen Vermieter das Mietverhältnis nicht kündigen, sofern die Mietschulden auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhen. Die Verpflichtung der Mieter zur Zahlung der Miete bleibt im Gegenzug im Grundsatz bestehen.

Trotzdem wird man davon ausgehen können, dass auf die Corona-Krise gestützte Mietminderungen oder außerordentliche Kündigungen weiterhin denkbar sind. Zum einen wird nur angemerkt, dass die Mietzahlungsverpflichtung „im Grundsatz“ fortbesteht. Mit einer bloß grundsätzlichen Verpflichtung zur Mietzahlung geht aber dem Wortsinn nach kein genereller Ausschluss von Mieterrechten einher. Zum anderen fällt nach dem Prinzip der Gewaltenteilung die Anwendung und Auslegung der Gesetze in den Zuständigkeitsbereich der Gerichte. Diese haben die Gesetzesbegründung zwar durchaus zu berücksichtigen. Nach der juristischen Methodenlehre ist die Gesetzesbegründung jedoch nur eines von mehreren Auslegungskriterien, das gegenüber den anderen Kriterien (Grammatik, Systematik, Entstehungsgeschichte) keineswegs vorrangig ist. Soweit der Gesetzgeber den Gerichten verbindliche Vorgaben machen will, muss er diese hinreichend deutlich in dem Gesetzestext unterbringen. Dies hätte vorliegend z.B. durch folgende Bestimmung erfolgen können: „Dem Mieter stehen aufgrund der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie keine Gewährleistungs- und Gestaltungsrechte gegenüber dem Vermieter zu.“ Eine solche Vorschrift wurde nicht erlassen, was zusätzlich darauf hindeutet, dass die allgemeinen Mieterrechte nicht durch die neue gesetzliche Regelung ausgeschlossen sind.

C. Berechtigt die Corona-Krise zu Mietminderungen oder zu einer vorzeitigen Kündigung des Gewerbemietvertrages?

Von vorrangiger Bedeutung ist die konkrete Ausgestaltung des jeweiligen Gewerbemietvertrages.

Sofern vorhanden, könnten beispielsweise sog. Force-Majeure-Klauseln relevant sein. Derartige Klauseln enthalten Bestimmungen für den Fall höherer Gewalt. Die Corona-Pandemie wird man als höhere Gewalt einstufen können. Dementsprechend kommt es darauf an, ob die Klausel bei höherer Gewalt Mietkürzungen oder eine Kündigungsmöglichkeit vorsieht.

Da die meisten Gewerbemietverträge eine solche Regelungen nicht enthalten, ist die Frage nach Mietkürzungen und einem Kündigungsrecht anhand der gesetzlichen Vorschriften zu beurteilen.

I. Kündigungsrecht des Mieters aus § 543 BGB?

Eine Möglichkeit zur außerordentlichen Kündigung gemäß § 543 BGB besteht nicht. Die Vorschrift des § 543 BGB lässt eine außerordentliche Kündigung nur zu, sofern ein wichtiger Grund hierfür vorliegt. Kann dem kündigenden Vertragsteil die Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden, ist ein wichtiger Grund gegeben. Diesbezüglich ist eine umfassende Interessenabwägung durchzuführen. Erforderlich für die Annahme der Unzumutbarkeit ist aber, dass die Kündigungsgründe aus dem Einflussbereich der anderen Vertragspartei kommen und ihr zurechenbar sind (vgl. BeckOK zum BGB, Stand 1. Februar 2020, § 543 Rn 6 m.w.N.). Des Weiteren setzt eine Kündigung nach § 543 BGB regelmäßig eine Pflichtverletzung des Vertragspartners voraus (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 26. April 2002 – LwZR 20/01, NZM 2002, 660; BeckOK zum BGB a.a.O.). Da die Corona-Pandemie von keinem der Vertragspartner zu verantworten ist, sondern sich ein allgemeines, gesamtgesellschaftliches Risiko verwirklicht hat, scheidet eine Kündigung nach § 543 BGB aus.

II. Liegt ein zur Mietminderung berechtigender Mangel der Mietfläche vor?

Die Nutzungseinschränkungen aufgrund der COVID-19-Pandemie begründen keinen die Tauglichkeit der Mietfläche beeinträchtigenden Mangel im Sinne des § 536 BGB, der eine Minderung der Miete rechtfertigen würde. Bei öffentlich-rechtlichen Nutzungsbeschränkungen – wie den aktuellen Betriebsschließungen – ist nach der Rechtsprechung kein Mangel anzunehmen, falls die Beschränkung allgemein auf die Art der gewerblichen Betätigung abstellt, weil dies zum Verwendungsrisiko des Mieters gehöre (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 22. Juni 1988 – VIII ZR 232/87, NJW 1988, 2664; Kammergericht Berlin, Urteil vom 7. Juni 1999 – 8 U 3727/97, NJW-RR 2000, 819). Das ist bei den gegebenen generellen Schließungen von Restaurants, Gaststätten, Hotels etc. der Fall.

III. Ist die Leistung des Vermieters entsprechend § 275 BGB unmöglich, so dass die Verpflichtung zur Zahlung der Miete vollständig ausgeschlossen ist?

Wäre davon auszugehen, dass eine Betriebsschließung es dem Vermieter im Sinne von § 275 BGB unmöglich macht, seine mietvertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, hätte dies gemäß § 326 BGB zur Folge, dass der Mieter für die Dauer der Beeinträchtigung überhaupt keine Miete zahlen müsste. Da die Gewerbeflächen in Anbetracht der Betriebsschließungen nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden können, ist es nicht fernliegend, eine Unmöglichkeit anzunehmen. Dies gilt umso mehr, wenn die untersagte Nutzung der Mietfläche in dem Gewerbemietvertrag ausdrücklich als Vertragszweck vereinbart wurde. Bei dieser Herangehensweise wird allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass sich mit der Corona-Pandemie ein allgemeines Risiko verwirklicht hat, der nach § 326 BGB vorgesehene vollständige Ausschluss der Mietzahlungsverpflichtung hingegen ausschließlich zu Lasten der Vermieter gehen würde. Eine Anwendung der §§ 275, 326 BGB ist daher nicht sach- und interessengerecht und deshalb abzulehnen.

IV. Interessenausgleich über die Grundsätze der Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB?

Vielmehr sollte ein Ausgleich der Interessen von Mietern und Vermietern über eine Anwendung des Rechtsinstituts der Störung der Geschäftsgrundlage gemäß § 313 BGB herbeiführt werden.

Diese Vorschrift steht in einem Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Vertragstreue, nach dem Verträge so durchzuführen sind, wie sie abgeschlossen wurden. Aus diesem Grund wird der Anwendungsbereich von § 313 BGB auf Ausnahmefälle beschränkt. Bei der Corona-Krise und ihren Auswirkungen auf gewerbliche Mietverhältnisse handelt es sich um einen solchen Ausnahmefall.

Die Bestimmung des § 313 Abs. 1 BGB lautet folgendermaßen:

„Haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind, nach Vertragsschluss schwerwiegend verändert und hätten die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen, wenn sie diese Veränderung vorausgesehen hätten, so kann Anpassung des Vertrags verlangt werden, soweit einem Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann.“

Zu den einzelnen Voraussetzungen des § 313 Abs. 1 BGB:

  • Für Gewerbemietverträge, die vor Beginn der Corona-Krise vereinbart wurden und die Mietflächen zum Gegenstand haben, die aktuell nicht mehr bestimmungsgemäß genutzt werden können, haben sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, im Sinne des § 313 Abs. 1 BGB nach Vertragsschluss verändert.
  • Es handelt sich auch um eine schwerwiegende Veränderung dieser Umstände. Kann nicht ernstlich angezweifelt werden, dass jedenfalls eine der Vertragsparteien bei Kenntnis der Veränderung den Mietvertrag nicht oder nur mit anderem Inhalt abgeschlossen hätte, ist diese Voraussetzung erfüllt (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 04. Oktober 1988 – VI ZR 46/88, NJW 1989, 289; BeckOK zum BGB, Stand 1. Februar 2020, § 313 Rn 23 m.w.N.). Es wäre lebensfremd etwas anderes anzunehmen und zu unterstellen, der Mieter wäre damit einverstanden gewesen, ungeminderte Mietzahlungen für einen längeren Zeitraum zu leisten, obwohl die Mietfläche nicht mehr für den Geschäftsbetrieb genutzt werden kann und er für den Wegfall der Nutzungsmöglichkeit in keiner Weise verantwortlich ist.
  • Die Änderung der Umstände darf für die Vertragsparteien nicht vorhersehbar gewesen sein. Dies gilt sicherlich für Mietverträge, die vor den ersten Berichten über COVID-19-Erkrankungen in China abgeschlossen wurden. Für hiernach angemietete Flächen könnte dieser Aspekt indes Bedeutung erlangen.
  • Ein Anspruch auf Anpassung des Gewerbemietvertrages nach § 313 BGB erfordert zudem, dass die geänderten Umstände nicht in den alleinigen Risikobereich derjenigen Vertragspartei fallen, die sich auf die Störung der Geschäftsgrundlage beruft (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 17. März 2010 – XII ZR 108/08, NJW-RR 2010, 1016). Wie bereits angeführt (vgl. Ziffer C., II.), trifft den Mieter üblicherweise das Risiko, die Mietfläche vertragsgemäß verwenden zu können. Behördliche Gebrauchsbeschränkungen können nur dann der Risikosphäre des Vermieters zugewiesen werden, falls sie auf der Beschaffenheit oder der Lage des Mietobjektes beruhen (vgl. BGHZ 68, 294; NJW 1977, 1285). Ursächlich für die staatlich angeordneten Betriebsschließungen ist aber nicht die Beschaffenheit oder Lage der Mietfläche, sondern der Seuchenschutz. Infolgedessen wäre ein Anspruch der Mieter auf Anpassung ihres Mietvertrages eigentlich ausgeschlossen, da ihr Verwendungsrisiko betroffen ist.
  • In der gegebenen, neuartigen Situation erscheint allerdings eine andere Herangehensweise angebracht. Mit Ausbruch der Corona-Pandemie hat sich kein dem Bereich der Mieter zuzurechnendes Risiko verwirklicht. Vielmehr hat sich ein allgemeines, mithin ein gesamtgesellschaftliches Risiko realisiert. Hinzu kommt, dass Seuchenschutzmaßnahmen und somit die Betriebsschließungen dem Schutz der Allgemeinheit und damit auch den Interessen der Vermieter dienen. Demgemäß sollte ein Anspruch auf Vertragsanpassung nicht unter dem Gesichtspunkt der Risikozuweisung abgelehnt werden.
  • Das Festhalten am unveränderten Vertrag muss der Vertragspartei, die eine Anpassung des Vertrages fordert, unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, unzumutbar sein.

Im Gewerbemietrecht wurden mit der Zeit drei Fallgruppen herausgearbeitet, bei denen eine solche Unzumutbarkeit in Betracht kommt (ausführlich hierzu: Lindner-Figura, Geschäftsraummiete, 4. Auflage 2017, Kap. 8 Rn 26 ff.). Diese Fallgruppen erfassen folgende Sachverhalte:

  • Enttäuschte Umsatz- und Gewinnerwartungen des Mieters, wobei hier nur unter sehr engen Voraussetzungen eine Vertragsanpassung erwogen wird.
  • Im Verlauf der Zeit weicht die ursprünglich vereinbarte Miete erheblich von der aktuellen Marktmiete ab.
  • Der Vermieter hat dem Mieter bei Abschluss des Vertrages bestimmte Umstände in Aussicht gestellt (z.B. in Bezug auf die Konzeption eines noch zu errichtenden Einkaufszentrums), die jedoch nicht in der geplanten Form realisiert werden.

Da die Corona-Pandemie eine neuartige Situation darstellt, lässt sich die gegebene Lage zwangsläufig nicht passgenau den zuvor entwickelten Fallgruppen zuordnen. Deswegen ist eine Anwendung von § 313 BGB jedoch keineswegs ausgeschlossen, was schon daraus folgt, dass § 313 Abs. 1 BGB ausdrücklich eine umfassende Prüfung des konkreten Einzelfalls vorschreibt. Hiermit nicht zu vereinbaren wäre es, durch die Entwicklung von Fallgruppen den Anwendungsbereich von § 313 BGB für die Zukunft verbindlich vorzugeben.

Gemäß dem hier befürworteten Ansatz ist dem Mieter jedenfalls bei einer Betriebsschließung die unveränderte Fortführung des Mietvertrages im Sinne von § 313 BGB unzumutbar. Für die Dauer der Schließung des Betriebs besteht ein Anspruch auf Vertragsanpassung. Die Corona-Krise ist kein dem alleinigen Risikobereich des Mieters zuzurechnender Vorgang. Es hat sich ein allgemeines Risiko verwirklicht und die Betriebsschließungen zum Seuchenschutz erfolgen auch im Interesse der Vermieter. Vor diesem Hintergrund wäre es unbillig, die Mieter die nachteiligen wirtschaftlichen Folgen alleine tragen zu lassen und die Höhe der Miete nicht zu reduzieren.

Fraglich ist, in welchem Umfang die Miete gesenkt werden sollte. Da die Geschäftsgrundlage wegen eines allgemeinen Risikos gestört ist, bietet es sich an, Vermieter und Mieter mit der Anpassung des Gewerbemietvertrages zu gleichen Teilen zu belasten. Demzufolge ist die Miete für die Dauer der Betriebsschließung grundsätzlich um die Hälfte zu kürzen.

Ein streng schematisches Vorgehen ist bei der Festlegung der Mietreduzierung für das konkrete Mietverhältnis aber nicht angezeigt. Umstände, die eine geringere Absenkung der Miete nahelegen (z.B. etwaige staatliche Unterstützungsleistungen für den Mieter, eine dennoch erfolgende Nutzung der Mietfläche als Lagerfläche für den Online-Handel oder die zeitweilige Fortführung eines Restaurantbetriebes als Lieferdienst), sollten beachtet werden.

Da es sich bei der Anpassung der Miete wegen Störung der Geschäftsgrundlage nicht um eine Minderung der Miete aufgrund eines Mangels der Mietfläche handelt, dürfte es angemessen sein, die verbrauchsabhängigen Nebenkosten abweichend vom Vorgehen der Rechtsprechung bei einer Minderung nach § 536 BGB (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 6. April 2005 – XII ZR 225/03, NJW 2005, 1713) nicht entsprechend zu reduzieren.

Bei der Anpassung der Miethöhe ist an das gesetzliche Schriftformerfordernis (§ 578 Abs. 2 BGB i.V.m. § 550 BGB) zu denken, um zu vermeiden, dass der Mietvertrag wegen Missachtung der Schriftform vor Ablauf der Mietzeit gekündigt werden kann (vgl. dazu den Beitrag des Verfassers vom 9. April 2019).

Eine vorzeitige Kündigung des Gewerbemietvertrages wegen Störung der Geschäftsgrundlage wird nur in Ausnahmefällen in Frage kommen. Nach § 313 Abs. 3 BGB setzt eine solche Kündigung voraus, dass eine Anpassung des Vertrags nicht möglich oder einem Teil nicht zumutbar ist.

D. Zusammenfassung und Handlungsempfehlung

Haben Gewerbemieter infolge der Corona-Krise nicht unerhebliche Einnahmeausfälle, müssen sie nach dem „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie“ keine Kündigung des Mietvertrages befürchten, wenn sie die Mieten für den April bis einschließlich Juni 2020 zunächst nicht zahlen. So entstehende Mietrückstände sind bis spätestens zum 30. Juni 2022 auszugleichen.

Die staatlich angeordneten Betriebsschließungen begründen keinen zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietfläche. Auch ein Fall der Unmöglichkeit der Leistungserbringung des Vermieters, der die Mietzahlungsverpflichtung vollständig ausschließen würde, liegt nicht vor. Bei richtiger Sichtweise kann jedoch von einer Störung der Geschäftsgrundlage nach § 313 BGB ausgegangen werden, die grundsätzlich dazu berechtigt, die Miete um die Hälfte zu kürzen. Ein Recht zur außerordentlichen Kündigung des Gewerbemietvertrages besteht regelmäßig nicht.

Von Betriebsschließungen betroffenen Mietern wird geraten, zunächst das Gespräch mit dem Vermieter über eine Reduzierung der Miete zu suchen. Den mit der Corona-Krise einhergehenden Herausforderungen kann am besten als Solidargemeinschaft begegnet werden. Deswegen sollten auch in gewerblichen Mietverhältnissen vorrangig kooperative Lösungen gesucht werden.

Melden Sie sich gerne, falls Sie Interesse daran haben, sich von der Anwaltskanzlei Maturana-Nuñez unterstützen zu lassen. Eine erste Besprechung der Angelegenheit ist hier stets kostenfrei.

*Ziel dieses Beitrags ist es, eine Hilfestellung zur Lösung von Rechtsfragen im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu bieten. Eine Haftung für die rechtlichen Wertungen kann nicht übernommen werden, insbesondere weil nicht sicher abzusehen ist, wie sich die Gerichte positionieren werden. Eine auf ein konkretes Mandat bezogene rechtliche Beratung können und sollen die Ausführungen nicht ersetzen.